ABBAS GENERALIS

ORDINIS CISTERCIENSIS

 


ARMUT, ELEND UND BARMHERZIGKEIT

 

Seit wir ins Kloster eingetreten sind, haben wir gehört, dass über die Armut wie über eine Tugend gesprochen wird, und auch wir haben uns erlaubt, uns über dieses Thema eine Meinung zu bilden. Das haben wir im allgemeinen getan, als wir gesehen haben, wie nach und nach, gleichsam unbemerkt in die Gemeinschaft technische Errungenschaften eingeführt wurden, die die Lebensqualität der Mönche verbessert haben und die darüberhinaus die Arbeit der Brüder und Schwestern im Haus, auf dem Feld oder anderswo vereinfacht haben - aber immer um die Arbeitsbedingungen zu erleichtern. Es war etwas, das uns neutral zu sein schien, weil es scheinbar die menschlichen Taten in Bezug auf die Güter dieser Welt hinordnete. Trotzdem verlangte die Armut auch einen freiwilligen materiellen Verzicht in extremer Form, die man generell die evangelische Armut genannt hat, entsprechend den evangelischen Räten.

 

Wir waren arm im Geist und haben nicht Schritt gehalten mit der Konstitution Gaudium et Spes des II. Vatikanischen Konzils, die genau dies sagt: „Den Christen liegt es deshalb fern, zu glauben, daß die von des Menschen Geist und Kraft geschaffenen Werke einen Gegensatz zu Gottes Macht bilden oder daß das mit Vernunft begabte Geschöpf sozusagen als Rivale dem Schöpfer gegenübertrete. Im Gegenteil, sie sind überzeugt, daß die Siege der Menschheit ein Zeichen der Größe Gottes und die Frucht seines unergründlichen Ratschlusses sind."[1] Diese hätte uns davon abgehalten - wenn wir sie gekannt hätten - überstürzte radikale Äußerungen zu tun. Aber dieses Dokument wurde erst am 7. Dezember 1965 promulgiert, als wir schon nutzlos gelitten hatten und andere hatten leiden lassen.

 

Wir wollen nicht über den Neid sprechen, der unter Brüdern und Schwestern entstehen kann, wenn sie sehen, wie manche materielle Güter im Kloster vorhanden sind, zu denen nicht alle Zugang haben. Wir wollen daran denken, was der Heilige Benedikt sagt, wenn es darum geht, ob alle dasselbe empfangen sollen: „Jedem wurde so viel zugeteilt, wie er nötig hatte." [2] Genau dasselbe sagt er auch, wenn es um die Kleidung und das Schuhwerk der Brüder geht, und er fügt hinzu: „So berücksichtige der Abt die Schwäche der Bedürftigen, nicht die Missgunst der Neider." [3] Das II. Vatikanische Konzil behandelt das Thema der evangelischen Armut im Dekret Perfectae Caritatis und in der „Botschaft des II. Vatikanischen Konzils" an die Menschen und in so vielen anderen Dokumenten. Auch die Orden und die Kongregationen hielten jeweils ihre Generalkapitel ab, um über die angemessene Erneuerung ihres Ordenslebens zu diskutieren.

 

Es ist nicht diese Art von Armut, über die so viel diskutiert und geschrieben worden ist, über die wir jetzt sprechen wollen, sondern eine andere Armut, die die Existenz eines Klosters bedroht. Ich habe sie sehr konkret erlebt, wenn ich die Konvente visitiert habe, und sie ist eine Herausforderung für die jungen Mitglieder, die wir als Kandidaten für das Klosterleben in unsere Häuser aufgenommen haben.

 

Ich meine damit den Mangel an Novizen, die fehlende Ausbildung der jungen Mitglieder und der Professen, die diese an dieselben hätten weitergeben sollen, die fortschreitende Überalterung der Gemeinschaften, das Sterben der betagten Mitglieder - und auch der Jungen! -, die Auflösung von Klöstern, Kongregationen und Orden; und zwar ohne dass es irgendeinen politischen religionsfeindlichen Hintergrund gäbe. Es treten Menschen ein mit vier Vätern und vier Müttern, acht Großvätern und Großmüttern und der daraus resultierenden „affektiven Unterernährung" sowie mit noch nicht abgeschlossenem Studium... Eine Situation, die wir nicht als Armut zu bezeichnen wagen - aber wie sollen wir sie sonst nennen?

 

Der Mangel an Berufungen ist kein unbekanntes Thema und noch weniger ist er ein Ergebnis des Dialogs zwischen dem Christentum und der Moderne, der vom II. Vatikanischen Konzil angeregt worden ist. Sie wissen alle, dass durch das Fehlen einer angemessenen Bildung und deren Vermittlung eine Weitergabe einer gerechten und zutreffenden Relecture der eigenen Identität nicht stattgefunden hat. Es ist auch klar, dass die Gemeinschaften ihre Energie in äußere Reformen investierten, die aber nicht dazu halfen, dass jeder sich so in sich selbst vertiefen konnte, dass er entdecken konnte, welches sein verborgener persönlicher Fehler ist, der uns gefangen hält und der uns davon abgehalten hat, unsere „Gaben und Talente," zu entfalten, „die wir vom Herrn empfangen haben, um mit ihnen dem zu dienen, der in den Brüdern gegenwärtig ist."[4] Das ist der Dienst, zu dem der Mönch berufen ist, und in dieser Berufung verfügt er nicht einmal mehr über seinen eigenen Körper, der dem Dienst an den anderen gewidmet ist, so wie „Christus, der einer war mit und für die anderen"[5].

 

Man meinte irrtümlicherweise, dass es notwendig war, die Gemeinschaften vor den Neuerungen der säkularen Welt, dem religionslosen Christentum und der trügerischen Rückwendung zur Vergangenheit schützen zu müssen. Das alles ließ einen misstrauisch werden gegenüber jedem, der versuchte eine Hilfe zu finden, die irgendwie mit der Psychologie oder Psychiatrie in Verbindung stand. Auf diese Weise dachte man, dass man in das Innere eines jeden Mönches und einer jeden Nonne hineinschauen könnte, um ihre sozialen, ökonomischen und kulturellen Grundbedingungen zu erfassen, die zur Prägung der je eigenen Persönlichkeit beigetragen haben. Wer sich darauf einließ, war dann für immer gebrandmarkt.

 

Ich sehe mit Traurigkeit, dass es leichtsinnig war, um nicht zu sagen oberflächlich und wenig vorausschauend, jenen Anhauch des Geistes für die Kirche[6], für unser Leben und für den Orden zu ignorieren, der fähig war ein schönes und geglücktes Außerordentliches Generalkapitel in den Jahren 1968-69 abzuhalten; aber die von ihm approbierten Dokumenten hatten praktisch keine Wirkung, weil sie zu wenig in den Gemeinschaften bekannt gemacht wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Ich beziehe mich natürlich auf die „Erklärung des Generalkapitels über die wesentlichen Elemente des Zisterzienserlebens heute" und die neuen „Konstitutionen des Zisterzienserordens" und auf so viele andere Dokumente, die die Botschaft der Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen des II. Vatikanischen Konzils zusammenfassen.

 

Welch großes Gewicht lastete auf einem jeden, ohne dass auch nur die Mehrheit Halt machte um zu überlegen, woher dieses Kreuz kam, das auf uns lastete, noch wie sich dieser Knoten gebildet hatte, dessen Anwesenheit wir nicht erklären konnten. Noch fanden wir eine Möglichkeit ihn zu beseitigen, sondern wir verwarfen ihn nur wie einen Fremdkörper, als er sich schon zu einem Tumor entwickelt hatte, den man herausschneiden musste, und dazu waren wir nicht fähig.

 

Aber  nachdem wir so viel über den Stand der Vollkommenheit gesprochen haben - wie kann man zulassen, dass die Kandidaten für das Klosterleben - Erdenwesen - als Sklaven an die Sünde verkauft werden? Wie Paulus sagt: „Denn ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, erkenne ich an, dass das Gesetz gut ist. Dann aber bin nicht mehr ich es, der so handelt, sondern die in mir wohnende Sünde. Ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der so handelt, sondern die in mir wohnende Sünde. Ich stoße also auf das Gesetz, dass in mir das Böse vorhanden ist, obwohl ich das Gute tun will. Denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes, ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangen hält im Gesetz der Sünde, von dem meine Glieder beherrscht werden. Ich unglücklicher Mensch! Wer wird mich aus diesem dem Tod verfallenen Leib erretten? Dank sei Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn! Es ergibt sich also, dass ich mit meiner Vernunft dem Gesetz Gottes diene, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde."[7] Das konnten wir im Römerbrief lesen, aber wir verstanden es als eine Sache von Paulus und nicht als unsere und wir waren nicht offen, um es uns zu Eigen zu machen. Wenn jemand mit gutem Willen eine Ultraschall-Aufnahme dessen gemacht hat, was in seinem Inneren war, dann haben die als „verantwortliche Entscheidungsträger" qualifizierten - zum Beispiel - es anderen „Kollegen" mitgeteilt, weil sie Vorsichtsmaßnahmen ergreifen wollten, um zukünftige Fehler des Kandidaten zu verhindern. Sie ließen das niederschreiben für eine Anzeige oder aus anderen nicht zugegebenen Gründen. Dies gelangte schließlich ins Archiv der Generalkurie, ohne dass die Verfasser sich bewusst waren, dass auch sie ihre Akte haben, die in Bezug auf die an die anderen angelegten Maßstäbe nicht sehr glänzend war.

 

Auf welche Stufe der Armut sind wir abgesunken und welcher Armut sollen wir uns bewusst sein?

 

- Aufgehobene oder auf dem Weg der Auflösung sich befindende Gemeinschaften, die bei ihrer Auflösung nichts anderes wissen, als die anderen anzuklagen, dass sie ihnen nicht zum Überleben verholfen haben, während sie in Wirklichkeit schon seit Jahren tot waren. Jegliche Hilfe hätte nur den Todeskampf verlängert und hätte die Schließung des Klosters nicht verhindern können.

 

- Von der Option für die Jungen, die Hoffnung für die Zukunft, konnte man nur sprechen in Bezug auf diejenigen, die sich einer gewissen Bevorzugung erfreuten und die als einzige für geeignet gehalten wurden. Es ging so weit, dass die anderen, die Ausgeschlossenen, dahin kamen, dass sie auf natürliche Weise diese Partikularismen ablehnen, ohne dass sie sich trauen, dieses Gefühl auszusprechen. Die Option für die Jungen - bedeutet das etwa, Partei zu ergreifen für einen Generationskonflikt? Bitte nicht! Das heißt einfach, Ihnen rechtzeitig und auf allgemeine Weise die Ausbildung anzubieten, die wir in unserer Zeit nicht empfangen haben.

 

- Die Gleichheit der kulturellen Gegebenheiten war nicht aufzuheben. Den Jungen, die aus dem einen oder anderen Grund nicht die Bildung erhalten hatten, um eine Universität zu besuchen, wurden normalerweise keine Türe geöffnet wie jene, die ihnen glücklicherweise jetzt aufgetan wird, um jenes Wissen zu erwerben, das sie nicht empfangen hatten, solange sie in einer Kultur der Armut lebten. Auf diese Weise regiert die Gleichheit in der Gemeinschaft ohne irgendeinen sozialen oder kulturellen Exklusivismus und noch weniger ohne irgendeine Willkür. Auch das ist Option für die Jungen.

 

- Die Karriereleiter emporsteigen, sei es um Macht zu erlangen oder um durch Machenschaften die erlangte Macht zu behalten: In unseren Zeiten will man die Schlauheit der zivilen Gesellschaft kopieren, um das Erbe der Gemeinschaften, die sich auf dem Weg der Auflösung befinden, einzuheimsen für diejenigen Gemeinschaften, die sich bereit erklären, die Mitglieder der aufgelösten Gemeinschaft und natürlich auch deren materielle Güter aufzunehmen.

 

Wenn nicht ich Ihnen das alles sage, wer wird es Ihnen dann sagen? Sie wissen nicht, mit welcher Armut sie konfrontiert werden, wenn Sie alleine in Ihr Inneres eintreten, um Ihr eigenes Innere kennenzulernen im Sinne des augustinischen nosce teipsum (Erkenne dich selbst). Sie werden entdecken, dass das Bekenntnis, das der Heilige Paulus den Römern geschrieben hat, für alle gültig ist, ohne dass irgendjemand entrinnen könnte, nicht einmal diejenigen, die über die Berufung anderer „entscheiden" sollen!

 

Schauen Sie gut in Ihr Inneres und schauen Sie Ihrem Kreuz ins Gesicht. Halten Sie sich jenen Satz des Heiligen Benedikt gegenwärtig, der sagt: „Von diesem Tag an hat er nicht einmal das Verfügungsrecht über seinen eigenen Leib."[8] und er wiederholt dies auch an anderer Stelle: „Den Brüdern ist es ja nicht einmal erlaubt, nach eigener Entscheidung über ihren Leib und ihren Willen zu verfügen." [9] Mit Worten unserer Zeit ausgedrückt: „Mensch sein mit den anderen und für die anderen", aber mit den persönlichen, voll entwickelten Gaben und Talenten, um den anderen damit zu dienen.

 

Daraus entstanden die Kurse zur Monastischen Bildung als eine konkrete Form der Option für die Jungen. Sie sollten gleichsam eine Antwort auf Papst Johannes Paul II. sein, eine leuchtende und faszinierende Führungsgestalt, der sein Vertrauen auf die neue Generation setzte und sie schon vom ersten Moment an „seine Hoffnung" nannte und sagte, dass er sie brauchen würde, d.h.: Er verließ sich auf sie und schuf für sie den Weltjugendtag, der ihn in Kontakt mit ihr und in die Fühlung mit den kommenden Generationen treten ließ. Diese Haltung bewahrte ihm ein junges Herz, bis dahin, dass Millionen von Jugendlichen und Erwachsenen ihn begleiteten und bei seinem Tod auf eine Weise um ihn weinten, wie man es noch nie gesehen hatte.

In unserer Zeit haben wir mit der Hilfe von denen, die das Christentum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt haben, das Licht gefunden, damit wir und die Jungen nicht im Finstern tappen:

- Zum Beispiel Dietrich BONHOEFFER, ein evangelischer Pfarrer und Märtyrer, der uns sagte und sagt: „Christ sein heißt nicht, fromm zu sein auf eine bestimmte Art und Weise, aus uns selbst etwas zu machen (einen Sündern, einen Büßer oder einen Heiligen) auf der Basis einer bestimmten Methode, sondern es bedeutet Mensch zu sein; Christus erschafft in uns nicht eine neue Art von Mensch, sondern einen Menschen. Es ist nicht der religiöse Akt, der einen Christen ausmacht, sondern die Teilnahme am Leiden Gottes im Leben der Welt. Das ist die metanoia (Umkehr): nicht vorwiegend an die eigenen Trübsale, an die eigenen Probleme, die eigenen Sünden, die eigenen Ängste zu denken, sondern mit Christus auf dem Weg des messianischen Geschehens zu gehen. Dies ist die theologische Radikalisierung, die im Denken der letzten Jahre Bonhoeffers sich in der Menschheit Gottes verwirklicht: Mensch sein, nicht nur ein Christ, weil Gott sich selbst vollständig in einem Menschen „mit und für die Menschen offenbart hat, in Jesus." [10]

- Der Theologe Joseph RATZINGER, ein Kenner Bonhoeffers, hat schon im Jahr 1968 geschrieben: „Wer sieht nicht ... wie wichtig die Wahrheit ist, die in der Heiligen Schrift mit dem Wort „für" bekräftigt wird? Dies bedeutet, dass wir, sofern wir Menschen sind, direkt von Gott leben, von den anderen und in der letzten Konsequenz von dem, der „für uns gelebt hat"? Wer bemerkt nicht die Lebenszeichen, die das biblische Konzept der Erwählung von hier aus gibt, gemäß dem die Erwählung kein Privileg ist, sondern eine Berufung zur „Proexistenz"? Es ist diese Berufung zur Proexistenz, in der der Mensch aufhört, sich an sich selbst zu klammern, und einen Sprung ins Unendliche wagt, wodurch er zu sich selbst zurückkehrt." [11]

- Schließlich am Ende der Reihe und um uns an die oberste Autorität der Kirche zu halten, kehren wir zurück zu Papst Paul VI., der offen - nicht nur in einer Fußnote - und deutlich sprach und über den man sagen kann: „Menschen wie Paul VI., die bemüht waren, das Drama des Menschen des 20. Jahrhunderts zu erfassen, wurden auf Dietrich Bonhoeffer in einem Moment aufmerksam, in dem die Gefahr bestand, dass die Gedanken des Pfarrers der Bekennenden Kirche in ihrer Bedeutung manipuliert würden. Dies wird in diesen schönen Worten ausgesprochen: „Eine Definition, zwar nicht vollständig, aber exakt und treffend, die ein Großer unserer Zeit - kein Katholik, aber einer, der in Christus verliebt war, nämlich Dietrich Bonhoeffer - unserem Jahrhundert geschenkt hat, das vom gierigen Egoismus und von schrecklichen Kriegen verheert worden ist, lautet so: Jesus ist der Mensch für die Anderen. Das ist wahr. Daran muss erinnert werden. Der Heilige Paulus hat das schon gesagt (Röm 14,7-9)."[12]

 

 

Gott handelt nicht in der Irrealität, sondern im konkreten Elend jedes Einzelnen und deswegen frage ich:


- Was würde passieren, wenn wir vor der ewigen Profess als einen ersten Schritt einen Test machen würden, um die Talente und Begabungen zu entdecken, mit denen wir Gott in den Brüdern dienen können, um „einer mit ihnen und für sie zu werden"?


- Aber was wäre, wenn wir zusammen mit unseren Begabungen auch unsere verborgenen Fehler entdecken würden, das eigene Elend, das wir alle in unserem Inneren mit uns tragen, als ein persönliches Merkmal, das uns gefangen hält? Ich glaube, das müsste der erste Schritt sein, den die jungen Mitglieder lernen sollten.

 

- Wäre dies vielleicht nicht ausreichend, um ausgeschlossen zu werden vom klösterlichen Leben unter der Last des Kreuzes, das Sie selbst vielleicht noch nicht kennen und noch nicht angenommen haben? Denn Sie wissen noch nicht, dass Gott nicht in der Irrealität handelt, sondern im Konkreten, im Elend eines jeden Einzelnen, wie wir es zuvor gesagt hatten. Dort, unter der Last des doppelten Gesetzes - über das Paulus zu uns gesprochen hat -, unter dem wir, davon überwältigt, stöhnen, dort sollen wir hören, was Er uns in diesem dunklen Dialog sagt, von dem wir hätten ausgeschlossen werden können durch eine Entscheidung des Konventkapitels.

 

- Wenn Gott im konkreten Elend eines jeden Einzelnen handelt - wo hätte unser Elend und seine Barmherzigkeit in Dialog miteinander treten können, wenn die Klöster einzig Residenzen für jene wären, die im Stand der Vollkommenheit leben?

 

- Wir wollen nicht vergessen, dass wir durch Gottes Barmherzigkeit hier sind, wo wir sind, und dass wir laut dem Heiligen Benedikt „niemals an Gottes Barmherzigkeit verzweifeln dürfen"[13], weder wir noch unsere Brüder und Schwestern, die dieses arme menschliche Potenzial bilden, das zu unserer Überraschung und zu unserem Trost in jedem Kloster lebt. Wenn diejenigen, die uns zum klösterlichen Leben zugelassen haben, von unseren Verfehlungen, unseren Kreuzen und unseren grundlegenden Fehlern gewusst hätten, von unserem Elend - „wer könnte wiederstehen?"[14] Deswegen habe ich in den Einladungen zu den Generalkapiteln und Synoden mich angetrieben gefühlt zu schreiben: Maurus Esteva, Divina miseratione Abbas Generalis Ordinis Cisterciensis. (Maurus Esteva, durch Gottes Barmherzigkeit Generalabt des Zisterzienserordens.)

 

- Lassen Sie mich ein weiteres Mal meine Dankbarkeit aussprechen:

„Sie sind es, die mir indirekt diese Frage stellen: Wer ist Christus für dich? Wie denn? Sehr einfach: Während ich für Sie arbeite und diesen Kurs vorbereite, die Homilien, die Ansprachen für den Anfang, die Schlussansprache, die Worte - all dies richte ich zugleich auch an mich selbst. Glauben Sie mir: Sie sind es, die Teilnehmer an den Kursen zur Monastischen Bildung, die Sie mich seit dem Jahr 2001 bis jetzt zu dieser Auseinandersetzung animieren. So spät habe ich in der Lektüre über meine Nachfolge reflektiert!"[15]

 

Ich habe Sie daran teilhaben lassen, damit Sie von den anderen lernen und nicht denken, dass jene besser sind, und dass das Evangelium nicht für Sie ist, sondern für jene. Jene sind nicht besser, wir sind es nicht, wir sind arme Geschöpfe, von der Erbsünde befleckt wie Sie, „wir wissen, dass das Gesetz selbst vom Geist bestimmt ist; ich aber bin Fleisch, das heißt: verkauft an die Sünde. Denn ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse."[16] Das war die Armut des Heiligen Paulus und das ist auch unser Elend, das Sie trotzdem nicht davon abhalten kann, der Zukunft entgegenzugehen, die sie selbst sind, auch wenn Sie um ihr inneres und äußeres Elend wissen. Paulus sagt uns: „Ich unglücklicher Mensch! ... Es ergibt sich also, dass ich mit meiner Vernunft dem Gesetz Gottes diene, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde."[17] Aber er tröstet uns auch, indem er sagt: „Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung."[18] Mit diesen Worten hat Papst Benedikt XVI. seine Enzyklika Spe salvi eröffnet, in der er zu uns spricht über das „Leiden mit dem anderen, für die anderen."[19] „Denn er hat uns gezeigt, daß Gott, die Wahrheit und die Liebe in Person, für uns und mit uns leiden wollte. Bernhard von Clairvaux hat das großartige Wort geprägt: Impassibilis est Deus, sed non incompassibilis - Gott kann nicht leiden, aber er kann mitleiden." [20] Augustinus, der in derselben Enzyklika von Benedikt XVI. zitiert wird, inspirierte schon Paul VI., der in seinem tröstenden Testament geschrieben hat: „Mein armseliges, elendes, nichtiges, mickriges Leben, dem so sehr die Geduld fehlt, die Wiederherstellung, die unendliche Barmherzigkeit. Augustinus sagt in einer Zusammenfassung, die mir unübertrefflich zu sein scheint: „miseria et misericordia". Mein Elend und Gottes Barmherzigkeit. Jetzt wenigstens möchte ich das honorieren können, was du bist: Den Gott der unendlichen Güte anrufen, annehmen, und deine süße Barmherzigkeit feiern."[21] Diese Barmherzigkeit, der gegenüber wir alle Schuldner sind und mit der unser Elend einen heimlichen Dialog geführt hat, ist es, die uns erlaubt, mit vollem Vertrauen zur Begegnung mit dem Richter zu schreiten, unserem einzigen Anwalt, unserem Tröster, dem Beistand, weil unsere ganze schmutzige Last schon in der Passion Christi verbrannt worden ist, in „unserem reinigenden Feuer" [22]. Glücklicherweise ist das Evangelium für alle.

 

Sie leben in der Armut, Sie empfangen eine elende Wirklichkeit für die Zukunft, die Sie selbst sind, aber auf diesem Weg, „der am Anfang nicht anders als eng sein kann"[23], werden Sie, wie Sie gesehen habe, vom Heiligen Paulus, dem Heiligen Bernhard, von Theologen und Päpsten mit großer moralischer Autorität, die wir nicht haben, begleitet und getröstet. Diese weiten Ihr Herz mit ihren aufrichtigen Bekenntnissen und gelehrten Belehrungen, um die Aufgabe auf sich zu nehmen, die monastischen Institutionen weiterzuführen, die sich so oft in der Gefahr der Auflösung befinden. Wir lassen diese in Ihren Händen in diesen unsicheren Zeiten, wie es so viele andere in der Geschichte gab, aus denen sie aber erneuert wiederauferstanden sind. Seien Sie würdige Traditionsträger der monastischen Einrichtungen in Ihren schönen Klöstern. Vorwärts! Sie sind die Zukunft; denn das Leben ist keine Einbahnstraße und Sie müssen weitermachen den Herausforderungen zum Trotz. Haben Sie keine Angst!



[1] Gaudium et Spes, 33-34

[2] Regel des Heiligen Benedikt 34,1.

[3] RB 55,20-21.

[4] RB, Prol.

[5] Ein treffender Ausdruck von Dietrich Bonhoeffer, den Josef Ratzinger übernommen hat und dem von Paul VI. ein neues Gewicht verliehen wurde, als er ihn während einer Generalaudienz im Juni 1972 zitiert hat.

[6] Das II. Vatikanische Konzil hat gesagt: „ein Hauch des Geistes über der Kirche"...

[7] Röm 7,14-25.

[8] RB 58,25.

[9] RB 33,4.

[10] Arnaud CORBIC, Bonhoeffer. Un Cristianismo no-religioso, Edizione Messaggero. Padov a,2005, p.88-89.

[11] J. RATZINGER, Introducción al Cristianismo, Ed Sígueme, 1968, p.199-200.

[12] Paul VI, Generalaudienz am 29.3.1972, in: Insegnamenti di Paolo VI, vol. X, Tip. Poliglotta Vaticana, Città del Vaticano 1972, p. 317

[13] RB 4,74.

[14] Ps 129,3.

[15] Wer bin ich für dich? Homilie vom 24.08.08

[16] Röm 7,14f.

[17] Röm 7,24f.

[18] Röm 8,24.

[19] Spe Salvi, Nr. 39.

[20] Sermones in Cant., Serm. 26,5. Pl. 183,906, zitiert von Benedikt XVI. in der Enzyklika Spe salvi Nr. 39.

[21] Paul VI., Pensamiento sobre la muerte. Testamento póstumo.

[22] Benedikt XVI., Spe salvi, Nr.47.

[23] RB Prol. 48.